Schulgeschichte(n)


Aus der "Festschrift zur 300jährigen Jubelfeier der Stadtschule zu Sülze i. M."

von Pastor H. Schreiber, r. t. rector scholae, 1898

Die Gründung unserer Stadtschule fällt in das Jahr 1599. Es wird uns über dieselbe ein merkwürdiges Ereignis berichtet, das Voß uns in seiner „Geschichte der Volksschule Mecklenburg-Schwerins nach den Quellen mitteilt. Ein studiosus theologiae namens Henricus Calander, so erzählt die Urkunde, habe von einigen guten Freunden die Botschaft erhalten, daß der derzeitige Pastor Peter Rortorff (oder Rortorp) in Sülze nicht abgeneigt wäre, einem geeigneten guten frommen Gesellen seine Pfarre zu überlassen, falls selbiger seine Tochter freien wolle. Diese allerdings falsche Mär war die eigentliche Veranlassung zur Gründung unserer Schule. Denn auf diese Nachricht hin eilt besagter Henricus Calander in der Absicht, wo möglich des Pastors Tochter zu freien und selber die Sülzer Pfarre zu übernehmen, in unsere Stadt.

Wird sein Plan auch nicht verwirklicht, so bleibt er doch in Sülze und beschließt, hieselbst eine Schule zu gründen, "dieweil es zu beklagen, daß in solchen Grenßstetlin, die für Andern von dem reißenden Manne pillig jn Acht genhommen werdenn, keine bestellte Schule were und die liebe junge jugent, so allda ein zimlicher Anzahl, alß unartiger Weiße wegen nichthabender disziplin, jn jren eigen humor aufwachsen mußte. Und vber daß, solches drum an einem solchen orte zuuorwundern, alle Sontag nu Einmhal Wormit den auch die gantze Woche aller godtesdienst ein Ende, gepredigt würde, und jch woll willens were, den Stetlin und der jungen jugent alda zu besten nicht alleine eine Schule anzurichten, mich kegen einem Erl. Rathe und dem Pastor beide Munt und schrifftlich erbotten alle Sonntag Vor erst Godt zu Ehren, dem Stetlin und derselben Einwhonern zum besten und mir zur Vbung (damit der Godtesdienst und die Lehre des Evangelii unnd Catechismi in diesen boesen lesten Zeiten nach der Vermhanung des lieben Apostel Pauli sein ordentlich und vleisig in der Christlichen Kirchen möchte verrichtet werden) ohne einige des Pastoren an seiner besoldung entgeltnus, Predigt zu halten." (Citiert nach Voß, l. c. p. 25).

erste Reihe: v.l.n.r. Schulhaus, Küsterstall / zweite Reihe: v.l.n.r. Schulstall, Küsterhaus, Privathaus / dritte Reihe: Stadtkirche mit Turmhaube zwischen 1770 und 1892 (Ansicht von 1833-1892)
erste Reihe: v.l.n.r. Schulhaus, Küsterstall / zweite Reihe: v.l.n.r. Schulstall, Küsterhaus, Privathaus / dritte Reihe: Stadtkirche mit Turmhaube zwischen 1770 und 1892 (Ansicht von 1833-1892)

Er legt dem Rat der Stadt seinen Plan vor und findet geneigtes Gehör. Derselbe versammelt die Bürgerschaft, welche ebenfalls ihre Absicht zu Calanders Vorschlag zu erkennen geben soll, auf dem Markte, und auch sie erklärt sich für des Magistrates Vorhaben. Denn auch die Bürgerschaft hatte es wohl erkannt, daß ihre liebe Jugend bisher ohne rechte Zucht und Unterweisung aufwachsen müsse. In einem Schreiben vom 18. Januar 1599 bittet Henricus Calander "daß E. f. g. verordnete visitatores mich nicht allein zu der Custorey anstatt einer Schulen immittieren, besonders mich auch nebenst dem Rathe und gemeine für einen Schulmeister umb unserer promotion willen, annehmen."

Schulhaus beim Bau der Turmhaube 1892
Schulhaus beim Bau der Turmhaube 1892

So will er dem Mangel eines geordneten Jugendunterrichtes in Sülze abhelfen, den der alte Pastor, welcher schon seit 1559 in unserer Stadt gewirkt, schwerlich in rechter Weise besorgen konnte, und bittet, die fürstlichen Visitatoren möchten ihn als "Schulmeister" einsetzen. Es war nämlich für jene Zeit in Sülze eine Kirchenvisitation angeordnet, wie sie auch sonst statt zu finden pflegte, seit die Reformatoren den Anfang mit derartigen Inspectionen gemacht. Diese schon für frühere Zeit geplante Visitation, welche den Zweck hatte, zu erkunden, ob die Glieder der Gemeinde ihren Katechismus wüßten und "rechten Verstand von Christlicher lere" hätten, und ob die Pastoren und Diaconi "am Sonntag zur vesper die Kinder ordentlich unterweisen im Catechismo" (Meckl. Kirchenordnung von 1552, pag. 61), mußte nach einem Schreiben des Superintendenten Johannes Frederus (oder Federus) in Rostock, das vom 12. Dezember 1598 datiert und an Bürgermeister und Rat der Stadt Sülze gerichtet ist, bis nach Weihnachten verschoben werden.

"Unterdes aber", so schreibt der Superintendent weiter, "sehe ich's für gut und ratsamb an, daß der ... Henricus Calander bei Euch zum Schulmeister angenehm und ihm die Custorey zur Schule eingethan werde, auch kann er anstatt des Custors thun, was deß Ambt mit sich bringet, dafür ihm billig auch die Hebung werden zukommen bis auf weiteren Bescheid." So ist die feste Anstellung eines Lehrers in Sülze eingeleitet, und wir können's uns vielleicht vorstellen, mit welcher Freude Rat und Bürgerschaft den Mann hätten begrüßen müssen, der sich freiwillig erbot, die Sülzer Jugend zu unterweisen in dem, was ihr mützlich ist und dienlich für Zeit und Ewigkeit.

Daher hatte man auch nicht weiter an die ursprüngliche Absicht, welche den Henricus Calander nach Sülze führte, gedacht, sondern versuchte es vielmehr denselben durch Vermittlung des Rostocker Superintendenten dem Herzog Ullrich zu Güstrow zu empfehlen. Ein unter dem 2. Februar 1599 datiertes Schreiben des Herzogs an den Superintendenten Frederus in Rostock giebt die herzogliche Genehmigung zur Gründung der öffentlichen Schule zu Sülze. Wir teilen es dem Wortlaut nach mit: Ullrich V. g. g. H. Wurdiger und hochgelarter, lieber, Andechtiger und getreuwer, Wir haben euer eingeschicktes beedenken, auf Henrici Calandri an vnß gelangte Supplication verlesen angehört. Vnd weil jhr nun selbst nutzlich zu sein erachtet, das bemelden Henrico Calandri wegen anrichtung einer schulen vnd mitverwaltung des Diaconats die Custorey zu Sülze zum Probejahr eingereumet werde, so lassen wir uns gefallen, das ihr solchen Vorschlagk zu Werk richtet vnd damit euer furderlichsten gelegenheit nach verfahret, daran verbringet jhr vnsere gnedige meinung, Vnd seint euch mit gnaden geneigt. Datum Gustrow den 2. February anno 1599. An D. Johannes Frederus superintendens des Rostocker Creises.

v.l.n.r. Privathaus, Armhaus, Stadtkirche, Rektorhaus, Schulhaus
v.l.n.r. Privathaus, Armhaus, Stadtkirche, Rektorhaus, Schulhaus

Somit ist die Absicht des Henricus Calander genehmigt, und, da er sich gleichzeitig erboten, auch am Sonntage "Gott zu Ehren, dem Stetlin und derselben Einwohnern zum besten" in der Kirche zu predigen, so wird ihm auch die Mitverwaltung des Pfarramtes übertragen. So haben wir in unserer Stadt von Anfang an Pfarr- und Lehramt in einer Hand vereinigt, wie es noch heute hieselbst der Fall ist. Denn während sonst in allen Städten unseres Landes die Leitung der Stadtschule einem eigenen Rektor übertragen ist, ist Sülze noch heute die einzige Stadt des Landes, deren Schule keinen eigenen Rektor hat. Denn noch heute liegt hieselbst die Verwaltung des Rektorates in den Händen des Hülfspredigers, wie es bei der Gründung hiesiger Schule durch Henricus Calander vor 300 Jahren veranlaßt worden ist.


Aus der Chronik des Kirchspiels Sülze

von Pastor Dr. Georg Adolf Alexander Weiss

Zu den kirchlichen Gebäuden gehört außer dem Pfarrhause, von dem in der Chronik selbst, gleich weiter die Rede sein wird, nur noch das Küsterhaus, da das Schulhaus jetzt Eigenthum der Stadt ist. Letzteres liegt der Südseite der Kirche gegenüber, leider in ziemlich tiefem Grunde, und hat einen sehr beschränkten Hof, der zum Spielplatz der Schuljugend bei Weitem nicht ausreicht, weswegen derselben schon gestattet werden muß, demnächst befindlichen Theil des Kirchenplatzes zu benutzen, um unter Aufsicht des inspicirenden Lehrers sich dort in den Pausen zu ergehen. Die Klassenzimmer sind hoch und geräumig und mit dem nöthigen Inventar versehen. Auch sind die Stände einzelner Klassen mit Bildern bedeckt, unter denen besonders das Bild Sr. königl. Hoheit des weiland Großherzogs Friedrich Franz III. zu bemerken ist, welches Höchstdessen Gnade der Schule schenkte. Dasselbe schmückt die Rectorklasse. Links vom Schulhause liegt das Küsterhaus, ein einfacher, aber massiver Bau von einem Stock, der oberhalb desselben auf dem Boden noch ein Giebelzimmer enthält, während unten 2 wohnliche Stuben mit dem nothwendigen Zubehör sich befinden. Von dem Hause liegt der südliche und namentliche östliche Theil des Kirchplatzes und hinter demselben ein Gärtchen, an das sich den zur Küsterei gehörenden Stallgebäude schließen. Das Haus des Küsters ist von den eingepfarrten ländlichen Gutsbesitzern erbaut und wird als ihr Eigenthum von denselben in Stand erhalten. Daß das in ausreichender Weise geschieht, liegt in der Herren eigenem Interesse und wird von der Großherzoglichen Amts- Baubehörde kontrolliert. Bei dem Neubau des Küsterhauses wünschte die Stadt in demselben die Anlage eines Schulzimmers, wozu die Landgemeinde nicht mitverpflichtet war. Man vereinbarte sich deswegen dahin, daß die Stadt ein baares Aquiralent beim Bau für die Erwerbung eines Schullocals im Hause zahlte, das sich rechts vom Eingang in daß selbe befindet und dessen Erhaltung im Innern übernahm. Die links seitige Wohnung des Küsters ist neuerdings durch einen Bretterverschlag mit Eingang von dem Schulzimmer getrennt.


Der Schriftsteller Walter Kempowski (1929 - 2007)

Ferien in Bad Sülze

Am 3. November 1992 war Walter Kempowski bei uns mit einer Lesung zu Gast. Und er erzählte die Geschichten über sein Leben, die sich in den 1930er Jahren in "Bad Wursten" abspielten. Das war die Zeit, die er als Kind in den Ferien in Bad Sülze verbrachte und das er in seinem Roman "Schöne Aussicht" (München 1981) liebevoll in "Bad Wursten" verwandelte. So hatte er diesen Ferienort als Kind immer genannt, wie er uns erzählte.

"Warum der Beruf des Pädagogen? - Noch einmal gehe ich zurück nach Mecklenburg in das Jahr 1933, es ist Sommer, und ich verbringe die Ferien im Haus eines Lehrers in Bad Sülze. Mit dem Begriff der 'Idylle' sollte man vorsichtig umgehen, aber für das, was ich dort erfuhr, ist er zutreffend: Spielen und schlafen auf dem Heuboden, auf dem es nach Räucherkammer riecht; der alte Garten mit Stachel- und Johannisbeerbüschen, Backofen, Bienenstand und Schaukel. Die zwei Töchter des Lehrers waschen Wäsche im Fluß, Kinder spielen an der Pumpe. Hühner, Katzen, Hunde ... Und die Dorfschule natürlich.

Ihr habe ich mich als Lehrer in Breddorf und später in Nartum mit den Kindern besonders verbunden gefühlt. Vielleicht gestaltete sich meine Arbeit nicht immer als pädagogisches Himmelreich, aber daß man diese Schulen dann irgendwann schloß, sie aufgab für sogenannte 'Mittelpunktschulen' oder andere ähnlich fehlgeleitete Unternehmungen, wird mir immer unverständlich bleiben."

Quelle: Aus Walter Kempowski "Dankrede anlässlich der Entgegennahme des Hoffmann-von-Fallersleben-Preises" 2006

"Göttingen Januar 1960

[...] Bad Sülze: Robert fragen. Bad Sülze: Von den wenigen Erinnerungen aus Bad Sülze sind mir der Heuboden bei Gewitter und das Porzellanei geblieben. [...]"

Quelle: Aus Walter Kempowski "Wenn das man gut geht! Aufzeichnungen 1956-1970" Knaus, 2012, S.349

"Göttingen Mi 29. April 1959

(...) Etwas Besonderes ist es, wenn man nachts davon aufwacht, daß es in Strömen gießt. Man mummelt sich dann richtig ein, bis es ganz mollig ist, und lauscht. Bis man dann wieder einschläft. Als Kind liebte ich es ganz besonders, wenn der Regen am Spätabend im Herbst auf die blechbeschlagenen Fensterbretter schlug. Überhaupt Regen in der Kindheit! In Bad Sülze war einmal (1932) ein entsetzliches Gewitter. Wir Kinder, Ulla, Robert, Bärbel Förster und ich, lagen oben auf dem Dachboden im Heu. Ulla hatte gerade das Kapitel vom Hamburger Brand von Elise Averdiek gelesen. (...)"

Quelle: Aus Walter Kempowski "Wenn das man gut geht! Aufzeichnungen 1956-1970" Knaus, 2012, S.289ff


Das Schulgebäude in der Neuzeit

Bildmitte v.r.n.l. Schulgebäude (Alte Schule), Rectorstall am 25.09.2015
Bildmitte v.r.n.l. Schulgebäude (Alte Schule), Rectorstall am 25.09.2015

Der Schulbetrieb wurde 1936 im 1833 errichteten Gebäude der alten Schule eingestellt. Danach wurde das Schulgebäude zu einem Wohnhaus umgebaut und als solches bis zum Jahr 2000 genutzt. Das stark sanierungsbedürftige Gebäude wurde leergezogen und notdürftig gesichert. Im Jahre 2009 konnte die Stadt Bad Sülze Sicherungsmaßnahmen vornehmen und einsturzgefährdete Teile der Fassade sanieren sowie das Dach komplett erneuern. In den nächsten 6 Jahren blieb das Gebäude im Sicherungszustand ungenutzt.

Der sog. Rektorstall (später Rektorscheune) konnte nach dem Leerzug nicht gesichert werden. Der ursprüngliche Schulstall (später Pfarrscheune) wurde Ende der 1990er Jahre gesichert und seitdem als Geräteschuppen genutzt.

Nach dem Erwerb 2015 ist das Schulgebäude am 01.11.2016 saniert und bezugsfertig. In sechs Wohneinheiten und einer Ferienwohnung haben motivierte Menschen dem Gebäude ein neues Leben gegeben.

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